Ein Totenschild in der Oberndorfer Kirche

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In der Oberndorfer Kirche hat sich eine ganz besonders seltene Kostbarkeit erhalten: Der Totenschild des Emmerich X., dem letzten Randecker.
Das hölzerne Totenschild ist ca. 40 x 65 cm groß. In gotischen Minuskeln ist oben zu lesen:
„Anno Domini 1521 auf Mittwoch nach dem Pfingstfest ist verschieden der edle Herr Emmerich von Randeck der jüngste des Geschlechts, dem Gott gnädig seye.“
Darunter sind die drei roten Lilien und die rote Querbinde aufgeleimt.  

Mancher wird sich fragen, was ist denn überhaupt ein Totenschild? Eine Enzyklopädie kann uns Auskunft geben: „Ein Totenschild ist eine Totengedenktafel unter Verwendung heraldischer Formensprache, ein aus dem Familienwappen entwickeltes und namentlich zugeordnetes kunsthandwerkliches Schaustück, das meist in einer Kirche angebracht oder aufgehängt wird und an den Verstorbenen erinnern soll.“


Das Aufhängen von Totenschilden hat sich aus sehr alten Bräuchen entwickelt. In alter Zeit gab man hochrangig Verstorbenen seine Waffen, Helm und Schild mit ins Grab. In karolingischer Zeit und mit zunehmender Christianisierung wurden diese Bräuche zugunsten der Kirche umgewandelt. Nicht der Verstorbene wurde mit reichen Gaben bedacht, sondern die Kirche erhielt eine Zuwendung. Da lag es nun nahe Schild und Helm über dem Grab in der Kirche aufzuhängen. Anfangs waren es noch die original Schilde, die in den heimatlichen Kirchen oder Kapellen aufgehängt wurden. Doch ab dem 15. und 16. Jahrhundert verwendete man zunehmend Nachbildungen aus Holz, natürlich wie die Originale bemalt. Und wenn schon Nachbildungen verwendet wurden, erscheint auch der nächste Entwicklungsschritt ganz logisch. Das Familienwappen wurde auf einer hölzernen Grundplatte angebracht, die auch Platz für eine erinnernde und/oder segnende Inschrift ließ. Der klassische Totenschild war geboren. Seine Blütezeit erlebte er im 16. Jahrhundert. Das Nürnberger Nationalmuseum besitzt eine ganz bedeutende Sammlung solcher Totenschilde. Die Sitte des Totenschildaufhängens wurde von den sich gleichzeitig entwickelnden steinernen Epitaphien abgelöst.

 

Wie kamen denn nun die Randecker in die Oberndorfer Kirche? Im Jahre 1327 brachten die Randecker den Zehnten des nahegelegenen Oberndorf in ihren Besitz. Rund 200 Jahre hatten sie die ganze Herrschaft über Oberndorf als raugräfliches Lehen inne und waren Patronatsherren, der seit dem Anfang des 12. Jahrhunderts nachgewiesenen Kirche. 1474 veranlaßte Ruprecht V. und seine Frau Schonette von Lewenstein den Neubaues des Chores als Grablege. Keiner konnte damals ahnen, daß außer ihnen nur noch ein Randecker seine letzte Ruhe dort finden sollte: Nämlich der bereits oben erwähnte Emmerich X. von Randeck.

Von ihm ist überliefert, dass er sich zusammen mit seinen beiden Cousins Adam und Ruprecht V. seit dem 28. April 1501 in der Reichsacht befand. Anlaß war die Festsetzung von sechs Straßburger Bürgern. Die Randecker hatten sie auf dem Heimweg von der Frankfurter Messe auf öffentlicher, unter Geleitschutz stehender Straße überfallen. Im Schloß Iben wurden sie gefangen gehalten, um Forderungen gegenüber der Stadt Straßburg Nachdruck zu verleihen und das ihnen zustehende Geld für geleistete Dienste zu erpressen. Die Aufforderung von König Maximilian die Randecker zu verhaften und ihre Güter zu beschlagnahmen, hatte offenbar keine allzu große Wirkung. Immerhin versuchte Ruprecht mit Straßburg zu verhandeln. Als diese auf sein Schreiben nicht reagierte, kündigte er ihnen an, „um seiner Ehre willen künftig mit raub, brant, mort oder doitschlag, by dag, nacht oder nebbell gegen sie vorzugehen“. Zwischenzeitlich hatte Adam sein Vorgehen beim König erklärt und eine Untersuchung in Gang gesetzt. Es ist zu vermuten, dass die Randecker sich zu dem gesetzeswidrigen Handeln gezwungen sahen, um ihre Geldforderungen gegenüber der Stadt Straßburg durchzusetzen. Pfalzgraf Philipp war als Lehensherr der Randecker ebenfalls an einer gütlichen Einigung interessiert. Die Stadt Straßburg bestand allerdings auf der Reichsacht und verlangte sie selbst exekutieren zu dürfen. So zogen sich die Verhandlungen drei Jahre hin. Schließlich mußten die drei Randecker unter dem Druck des Pfalzgrafen Philipp der Stadt 600 Gulden Entschädigung in sechs Jahresraten zahlen, die Pfalzgraf Philipp vorlegte und ihnen an ihrem jährlichen Dienstgeld abzog. Im Gegenzug erhielten die Randecker ihre mittlerweile beschlagnahmten Güter zurück (1).


Unser Emmerich scheint danach ein achtbares Leben geführt zu haben. Er ist in weiteren Urkunden als Amtmann zu Winterberg (1513) und als Vermittler in einer Fehde (1515) erwähnt. Mit seinem Tode am 22. Mai 1521 wurde auch das Geschlecht derer von Randeck zu Grabe getragen.


Neben dem Totenschild ist in der Oberndorfer Kirche die Grabplatte des Stifterehepaares Ruprecht und Schonette mit ihren Liegefiguren und beider Familienwappen erhalten geblieben.

 

(1) Dolch, Martin: Das nordpfälzische Geschlecht von Randecken (1202-1521), in: Mitteilungen des historischen Vereins der Pfalz (103), Speyer 2005, S. 7-84, insbesondere S. 18-19

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